Big Boss is watching you
Grenzen der Überwachung mittels Spyware durch Arbeitgeber
Denkt man an die Anfänge der Industrialisierung, sieht man im Geiste hunderte Arbeiter in Fabriken in Reihen aufgestellt, während Leitungspersonen über die Schultern schauen und damit sicherstellen, dass gearbeitet wird und dass die Qualität stimmt. In den modernen Zeiten streben Geschäftsführungen aus verschiedenen Gründen nicht minder danach, die Arbeitsleistung der Angestellten zu kontrollieren. Spätestens seit der massenhaften Ausbreitung von Homeoffice dank der Corona-Pandemie dürfte es viele Arbeitgeber in den Fingern jucken, die technischen Möglichkeiten auszunutzen und aus der Ferne einen Blick auf die Arbeitsgewohnheiten der Beschäftigten zu werfen.
Es liegt auf der Hand, dass nicht alles erlaubt ist, was möglich ist. Der vorliegende Beitrag soll daher die rechtlichen Grenzen und die Konsequenzen der Nichteinhaltung aufzeigen.
Zwecke für den Einsatz von "Bossware"
Bei „Bossware“ geht es um Software, die zur Überwachung von Mitarbeitern eingesetzt wird. Durch diese Spyware möchten Arbeitgeber die Aktivitäten des Mitarbeiters überwachen und sammeln bei dieser Gelegenheit regelmäßig jede Menge Daten. Gegenstand der Kontrolle können neben der "Live-Beobachtung" auch Browsernutzung, Tastatureingaben (Keylogger) und Mausbewegungen sein, auch Screenshots sowie Audio- oder Videoaufnahmen sind denkbar. Werden dienstliche Mobiltelefone ausgegeben, kann eine Überwachung von Standort und weiterer Kommunikation hinzukommen.
Nachvollziehbar sind Bestrebungen des Unternehmens, Rechtsverstöße zu verhindern oder zumindest hinterher aufzuklären. Eine darauf abzielende Überwachung mittels Software, eben „Spyware”, kann in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen. Denkbar ist die genauere Kontrolle der gesetzlich zulässigen Arbeitszeiten durch Analyse im Zeiterfassungssystem, die Erfassung von ungewöhnlichen Verhalten im Bereich der Finanzbuchhaltung oder die Aufklärung in Bezug auf verdächtige Datenabflüsse mit Blick auf Datenschutz sowie Geschäftsgeheimnisse.
Unabhängig von der Frage, ob Mitarbeiter zuhause, mobil oder in einem zur Verfügung gestellten Büro arbeiten, kann zusätzlich der Wunsch entstehen, hauptsächlich am Computer tätige Arbeitnehmer dahingehend zu überwachen, ob sie tatsächlich effektiv die Arbeitszeit nutzen oder ob sie eher privaten Interessen nachgehen. Das gilt insbesondere bei solchen Tätigkeitsprofilen, bei denen nur sehr eingeschränkt eine Leistungskontrolle durch den Arbeitgeber stattfinden kann. Dank moderner KI-Technologie können die Daten auch automatisch analysiert, ein Scoring durchgeführt und Arbeitgeber informiert werden, wenn unerwünschte Verhaltensweisen auffallen.
Rechtliche Grundlagen und Grenzen
Allen voran ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers betroffen, das durch Artikel 2 Absatz 1, Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantiert wird. Der Schutz der Privatsphäre am Arbeitsplatz gewährt einen grundsätzlichen Anspruch auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte auch im Arbeitsverhältnis. Der Einsatz von Spyware kann diesen Schutz massiv verletzen, insbesondere wenn die Software ohne das Wissen der Mitarbeiter eingesetzt wird und eine Privatnutzung nicht ausgeschlossen ist.
Natürlich ist auch der Datenschutz relevant, also die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Nach Artikel 5 DSGVO dürfen personenbezogene Daten nur zu einem klar definierten Zweck, auf das notwendige Maß reduziert sowie in einer rechtmäßigen und regelmäßig transparenten Weise erhoben werden. Nach § 26 Absatz 1 Satz 2 BDSG darf eine Verarbeitung von Daten zur Aufdeckung von Straftaten bei einem entsprechenden Verdacht stattfinden, sofern die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Auch in Bezug auf den Verdacht in Bezug auf erhebliche Pflichtverletzungen ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zwingend zu beachten.
Wann sind die Grenzen überschritten?
Klar ist, dass eine Implementierung unbedenklich ist, wenn das System ohne Personenbezug auskommt, da die aufgezeichneten und analysierten Daten keinem einzelnen Arbeitnehmer zugeordnet werden können. Die oben dargestellten Datenschutzgesetze sind hingegen zu beachten, sobald Personenbezug vorliegt. Bekannt sollte sein, wie schwierig es ist, eine wirksame Einwilligung von Arbeitnehmern für eine mehr oder weniger anlassbezogene Überwachung einzuholen – sie wird regelmäßig ausscheiden.
Soweit eine Interessenabwägung entscheidend ist, kann der Arbeitgeber natürlich versuchen, die oben dargestellten Zwecke ins Feld führen. Wenn es z.B. um eine vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle des Browserverlaufs geht, kann dies gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung verboten oder erheblich beschränkt hat. Verarbeitung im Übermaß liegt sicherlich vor, wenn das Unternehmen sämtliche Nutzungsdaten erfasst, aus denen man ohne Weiteres ein umfassendes Nutzerprofil erstellen kann. Auch die dauerhafte Überwachung des Datenverkehrs über USB-Schnittstellen kann ohne hinreichende Begründung unzulässig sein – anders sieht es aus, wenn ein begründeter Verdacht auf das Weitergeben von Geschäftsgeheimnissen besteht und der Arbeitgeber verhältnismäßige und zielführende Mittel auf den konkreten Arbeitnehmer anwendet (§ 26 Absatz 1 Satz 2 BDSG).
Hingegen ist das wahllose Aufschalten auf die Rechner der Mitarbeiter, um zu kontrollieren, ob der Mitarbeiter seine Arbeitszeit im Homeoffice effektiv nutzt, kaum in zulässiger Weise denkbar. Jedenfalls der Arbeitgeber, der eine Privatnutzung von Computern nicht ausgeschlossen hat, dringt ansonsten mitunter tief in die Privatsphäre des Angestellten ein, was mit dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht vereinbar ist; das gilt natürlich erst recht für Maßnahmen wie das vom Nutzer unbemerkte Anschalten von Kameras und Mikrofonen sowie bei der Überwachung der Nutzung eines Mobiltelefons.
Konsequenzen einer unzulässigen Überwachung
Eine unzulässige Mitarbeiterüberwachung kann für die Unternehmen sehr unangenehme Folgen haben. Sofern es sich um in der Öffentlichkeit bekannte Arbeitgeber handelt, ist bei einer Veröffentlichung mit einem erheblichen Rufschaden zu rechnen. Auch schlechte Bewertungen bei Plattformen wie Kununu können zu den unliebsamen Konsequenzen gehören. Obendrein darf man davon ausgehen, dass die durch die unzulässige Mitarbeiterüberwachung gewonnenen Daten in einem gerichtlichen Verfahren untauglich sind, da ein Beweisverwertungsverbot vorliegt.
Daneben erwartet den Verantwortlichen eine saftige Geldbuße nach der DSGVO, wenn sich der Arbeitnehmer bei der zuständigen Aufsichtsbehörde beschwert. Die Mitarbeiter können das Unternehmen darüber hinaus zum Arbeitsgericht zerren und eine sofortige Unterlassung durchsetzen. Liegen schwerwiegende Verletzungen des Persönlichkeitsrechts vor, haben die Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf Schadenersatz. Je nach Ausgestaltung des Sachverhalts kann das rechtwidrige Vorgehen des Arbeitgebers auch eine Sache für die Staatsanwaltschaft sein, wenn bestimmte Spionage-Apps eingesetzt werden und dadurch die Verletzlichkeit des gesprochenen Worts (§ 201 StGB), eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) oder das Ausspähen sowie das Abfangen von Daten nach §§ 202a, 202b StGB eine Rolle spielen.
Fazit
Die Überwachung der Mitarbeiter bedeutet das Ende des wichtigen Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen. Sie sollte daher nur im absoluten Einzelfall eingesetzt werden, um für das Unternehmen wichtige Vorgänge zu prüfen, sofern kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Letzteres kann auch die offene Kommunikation mit dem Beschäftigten sein, in der man vermittelt, dass man Zweifel am vertrauenswürdigen Einsatz der Arbeitskraft hat. Allein schon der Verdacht, Vorgesetzte könnte die Aktivitäten auf dem Rechner generell überwachen, löst auch bei den tadellosen Leistungsträgern eine unangenehme Drucksituation aus, der sich diese Mitarbeiter am Ende durch eine Kündigung entziehen werden. Von einem generellen bzw. anlasslosen Einsatz von Bossware sollte daher dringend Abstand genommen werden.
Wenn Sie Fragen rund um den Einsatz von technischer Überwachung haben, leisten wir von MKM LEGAL Ihnen wie gewohnt kompetente Unterstützung.
Autor: Andree Hönninger