Was ist im Bewerbungsprozess erlaubt – und was nicht?
Es ist ein Dauerbrenner an der Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Datenschutzrecht – das Googeln von Bewerbenden, um mehr über die Person herauszufinden, als die Bewerbungsunterlagen offenbaren. Was im ersten Moment rechtlich unproblematisch erscheint, da man sich ja vermeintlich frei zugänglicher Quellen bedient, hat gewisse Tücken. So hat das BAG in seinem Urteil vom 5.6.2025 (Az.: 8 AZR 117/24) in Fortführung der bisherigen Auffassung entschieden, dass Arbeitgeber die Bewerbenden nicht hinter ihrem Rücken googeln dürfen. Vielmehr sind die Bewerbenden über die weitere Informationsbeschaffung im Bewerbungsprozess durch Online-Recherche zu informieren. Wer dies nicht beachtet, muss mit Schadensersatzforderungen rechnen.
Ist das Bewerber-Googeln grundsätzlich unzulässig?
Hier greift eine wichtige Regel im Datenschutz – das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, heißt: Grundsätzlich ist jedwede Verarbeitung personenbezogener Daten verboten, soweit sie nicht durch eine Rechtsgrundlage gedeckt ist. Es stellt sich daher die Frage, ob Online-Recherchen bspw. zur Begründung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
Über diese Frage besteht weiterhin Uneinigkeit. Eine Ansicht argumentiert mit dem arbeitsrechtlichen Fragerecht des Arbeitgebers. Dieser muss die relevanten Informationen beim Bewerbenden direkt erfragen, soweit er an der (wahrheitsgemäßen) Beantwortung der Frage ein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse hat. Dabei gehe es um den Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Bewerbenden (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 GG). Unzulässige Fragen, also Fragen, die für die konkrete Stelle irrelevant sind, dürfen im Bewerbungsgespräch auch wahrheitswidrig beantwortet werden, ohne dass dies negative Folgen haben darf (sog. „Recht zur Lüge“). Dies betrifft v.a. Fragen zur privaten Lebensführung, Kinderwunsch etc. Dieses Recht würde aber konterkariert, dürfte sich der potentielle Arbeitgeber über Onlinerecherche einfach weitere Informationen „hinter dem Rücken“ des Kandidaten „ergoogeln“ und so die arbeitsrechtlichen Hürden umgehen.
Andere haben weniger Bedenken gegenüber Online Recherche. Dem potenziellen Arbeitgeber müsse zugestanden werden, sich aus frei zugänglichen Quellen ein umfassendes Bild über Kandidaten machen zu können. Alles andere sei praxisfern. Gleichwohl seien die widerstreitenden Interessen des Bewerbenden an der Wahrung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts einerseits und das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an weiteren, näheren Informationen zu den Kandidat*innen andererseits in Ausgleich zu bringen. In diesem Zusammenhang müsse auch zwischen „privaten“ sozialen Netzwerken (z.B. Facebook) und „beruflichen“ Plattformen (Xing, LinkedIn) unterschieden werden, da die Zielrichtung eine jeweils andere sei. Letztgenanntes Argument dürfte zugegebenermaßen in Zeiten, in denen keine klare Trennlinie mehr zwischen privaten und geschäftlichen Inhalten auf Social-Media-Plattformen gezogen werden kann, nur noch schwer überzeugen.
Einwilligung der Bewerbenden als Mittel der Wahl?
Bleibt noch die Möglichkeit, sich von den Bewerbenden eine Einwilligung in weitergehende Online-Recherchen zu holen, vgl. Art. 6 Abs. 1 lit a i.V.m. Art. 7 DSGVO. Eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage läge damit grundsätzlich vor, wäre da nicht das Kriterium der „Freiwilligkeit“, an dessen Vorliegen berechtigte Zweifel bestehen dürften; denn bereits im Bewerbungsverfahren besteht ein Kräfteungleichgewicht zwischen den potenziellen Vertragsparteien. Es steht zu befürchten, dass die bewerbende Person allein deshalb einwilligt, um sich nicht den weiteren Bewerbungsprozess zu verbauen und nicht, weil sie wirklich hinter ihrer Entscheidung steht. Letzteres wäre aber der entscheidende Punkt, vgl. ErwGr. 43 der DSGVO.
Und nun zum Fall des Bundesarbeitsgerichts
Die Erfurter Richter hatten über die Klage eines Münchner Anwalts zu entscheiden. Dieser hatte sich bei der Universität Düsseldorf auf eine Stelle als Justiziar beworben. In Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch gab der Personalleiter den Namen des Klägers bei Google ein. Dabei stieß er auf verschiedene Informationen über den Anwalt, u.a. eine frühere, nicht rechtskräftige Verurteilung.
Letztlich hatte der Kläger gegenüber einer besser geeigneten Mitbewerberin das Nachsehen, was vom Gericht auch nicht beanstandet wurde. Was der Universität hingegen vorgeworfen wurde, war, die gesammelten Informationen aus dem Internet im Rahmen des Bewerbungsverfahrens genutzt zu haben, ohne den Anwalt darüber umfassend nach Art. 14 DSGVO informiert zu haben. Die Vorinstanz (LAG Düsseldorf vom 10.04.2024, Az.: 12 Sa 1007/23) hatte bereits entschieden, dass das Vorgehen des Personalers einen Verstoß gegen die Informationspflichten der DSGVO darstellte und deshalb eine Entschädigung i.H.v. 1.000 Euro zu zahlen sei. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidung nun bestätigt.
Fazit
Dieses Urteil zeigt wieder ganz deutlich, wie wichtig ein sensibler Umgang mit personenbezogenen Daten ist. Dies gilt auch und bereits im Bewerbungsverfahren. Auch wenn es gängiges Vorgehen in der Praxis zu sein scheint, neben den Bewerbungsunterlagen bereits vor dem ersten persönlichen Gespräch weitere Informationen über die Bewerbenden durch Online-Recherche zu erlangen, so ist losgelöst von der Frage, ob dies im Einzelfall rechtlich erlaubt und erforderlich ist, an die Informationspflichten zu denken.
Autor: Sebastian Wurzberger (Senior Consultant)