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Strandbäder in Italien - eine vergaberechtsfreie Enklave in der EU?

Jeder, der schon einmal Badeurlaub am Meer in Italien gemacht hat, wird sie kennen: die Strandbäder („Bagni“), eine italienische Institution, die oft von Familien betrieben und unterhalten werden. Rund 30.000 solcher Badeanstalten gibt es in Italien. Oft bestehen sie aus Restaurants, Kiosken, bis hin zu Wohnungen zur Vermietung oder zum eigenen Gebrauch. Bisher hat der italienische Staat die Konzessionen zum Betrieb der Strandbäder ohne Beachtung des europäischen Vergaberechts verlängert.

Seit Erlass der sog. Bolkestein-Richtlinie aus dem Jahr 2006 (Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG) zur Liberalisierung von Dienstleistungsmärkten war absehbar, dass Italien nicht darum herumkommen wird, die Strandbadkonzessionen unter Beachtung des Vergaberechts auszuschreiben. Denn gemäß Art. 12 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten bei der Vergabe von Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften ein Verfahren zur Auswahl der Bewerber durchführen, wenn die Zahl der für eine bestimmte Tätigkeit verfügbaren Genehmigungen aufgrund der Knappheit der natürlichen Ressourcen begrenzt ist.

Auch politisch war das Thema seitdem ein Dauerbrenner in Italien. Die Strandbadbetreiber haben sich vehement gegen die Einführung von Vergabeverfahren gewandt. Insbesondere waren sie der Ansicht, dass sie schließlich in „ihre“ Strandbäder auch investiert haben.

Die politischen Parteien haben teilweise Wahlkampf damit betrieben, sich für die Erhaltung der bisherigen Praxis der Konzessionsverlängerung einzusetzen. Die Richtlinie wurde zwar in die italienische Rechtsordnung umgesetzt, zugleich ordnete aber ein Gesetz aus dem Jahr 2018 die Verlängerung der laufenden Konzessionen bis zum 31.12.2033 (!) an.

EuGH - Urteil vom 20.04.2023 - Rs. C 348/22

Das Verwaltungsgericht in Apulien legte die Frage, ob die Verlängerung der Konzessionen bis zum Jahr 2033 mit der Richtlinie vereinbar ist und die Richtlinie unmittelbare Anwendung findet, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor.

Der EuGH hat mit Urteil vom 20.04.2023 nun entschieden, dass die Konzessionen für die Nutzung der italienischen Strände nicht automatisch verlängert werden dürfen, sondern in einem neutralen und transparenten Auswahlverfahren vergeben werden müssen. Die maßgeblichen Regelungen der Bolkestein-Dienstleistungsrichtlinie seien unmittelbar anwendbar, bedürfen also keiner Umsetzung durch die italienische Regierung. Entgegenstehende nationale Vorschriften wie die Verlängerung der Konzessionen bis 2033 müssen unangewendet bleiben.

Betroffen sind alle Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer. Es ist insoweit unerheblich, ob sie ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweisen oder einen Sachverhalt betreffen, bei dem erhebliche Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinausweisen. Die Ausschreibungen müssen auf objektiven, nicht diskriminierenden, transparenten und verhältnismäßigen Kriterien beruhen.

Damit hat der EuGH ein Machtwort gesprochen und einer entgegenstehenden Rechtsanwendung der italienischen Regierung eine Absage erteilt.

Nostalgie contra Vergaberecht

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung auf die italienischen Badebetriebe auswirkt. Auf der einen Seite kann die Anwendung des Vergaberechts zu faireren Vergaben von Konzessionen führen und die Strandbäderlandschaft positiv beleben, auf der anderen Seite wäre es schade, wenn das besondere Flair der italienischen „Bagni“ verloren ginge und sie zukünftig (auch) von nationalen oder internationalen Ketten betrieben würden.

 

Autor: Ralph Weiss
 

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