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Jemand hakt mit einem Stift eine Checkliste auf einem Tablet ab

EU-Sanktionsrecht wird schärfer durchgesetzt

Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Warum die neue EU Sanktions-Richtlinie 2024/1226 und ihre deutsche Umsetzung Unternehmen direkt betreffen – und weshalb pragmatische Compliance-Prozesse wichtig sind

Kurz zusammengefasst: Die EU verschärft das Sanktionsrecht massiv – und Deutschland legt in entscheidenden Punkten sogar noch drauf. Künftig kann schon ein kleiner Fehler in Export-, Lieferketten- oder Zahlungsprozessen erhebliche Konsequenzen haben. Unternehmen müssen nachweisen können, dass ihre Compliance nicht nur auf dem Papier existiert, sondern im Alltag funktioniert. Für Führungskräfte bedeutet das: Lösbaren Handlungsbedarf – wenn man es richtig angeht. Der folgende Beitrag legt dar, was kommt, warum es relevant ist und wie Unternehmen sich effizient absichern können.

Was die Richtlinie (EU) 2024/1226 verlangt – und warum Deutschland sie verschärft umsetzt

Die neue EU-Richtlinie 2024/1226 verfolgt das Ziel, Verstöße gegen europäische Sanktionen in allen Mitgliedstaaten einheitlich zu ahnden. Damit reagiert die EU auf eine zunehmende Zahl komplexer Umgehungstatbestände, verschobener Lieferketten und international verflochtener Geschäftsmodelle, in denen selbst kleine Versäumnisse erhebliche außenpolitische Wirkungen entfalten können. Deutschland hätte diese Vorgaben grundsätzlich mit eher zurückhaltenden Anpassungen in nationales Recht überführen können. Tatsächlich aber setzt der Gesetzgeber zumeist im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) die europäische Vorgabe strenger um als erforderlich.

Besonders sichtbar wird dies beim Umgang mit sogenannten Bagatellfällen. Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeit, bei der nationalen Umsetzung Verstöße unterhalb eines Wertes von 10.000 Euro von der Strafbarkeit auszunehmen. Deutschland verzichtet bewusst darauf. Schon geringfügige Verstöße – etwa eine einzelne unzulässige Lieferung, ein fehlerhaftes Screening oder ein Transfer von geringem Wert – können künftig rechtliche Konsequenzen haben, vgl. Referentenentwurf in § 18 AWG-E. Die Begründung hierfür ist aus deutscher Sicht folgende: Selbst ein günstiges Einzelteil wie ein Chip kann sicherheitspolitisch hoch relevant sein. Eine feste monetäre Schwelle, wie sie die Richtlinie vorsieht, sei in Deutschland systemfremd und wenig sachgerecht. Für Unternehmen bedeutet das, dass die Grenze zwischen „vermeidbarem Fehler“ und „rechtlichem Risiko“ deutlich schmaler wird.

Auch die Strafrahmen zeigen, dass Deutschland sich nicht mit einer Minimaltransposition begnügt. Während die EU eine Höchststrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht, führt die deutsche Umsetzung qualifizierte Tatbestände ein, die Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren ermöglichen. Ziel soll eine spürbare Abschreckungswirkung sein, die insbesondere organisierte und technisch anspruchsvolle Umgehungshandlungen erfassen soll. Gleichzeitig werden vormals bußgeldrechtliche Bereiche – etwa bestimmte fahrlässige Verstöße im Dual-Use-Sektor – nun zu Straftatbeständen, was den Ermittlungsdruck weiter erhöht.

Besondere Bedeutung hat zudem die Unternehmenshaftung. Die Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, juristische Personen mit empfindlichen Sanktionen zu belegen. Die deutsche Umsetzung der Richtlinie folgt dieser Vorgabe, indem sie die von der EU vorgesehenen Bußgelder von bis zu 40 Millionen Euro vorsieht und Unternehmen konsequent in die Verantwortung nimmt, wenn Organisationsmängel oder unzureichende Kontrollmechanismen Verstöße ermöglicht haben. Dies bedeutet, dass nicht nur Mitarbeitende oder Einzelpersonen in den Fokus rücken, sondern das Unternehmen und dessen Führungskräfte als Ganzes und insbesondere seine Organe in die Pflicht genommen werden. In einer Zeit zunehmender Komplexitäten im internationalen Handel ist dies ein entscheidender Faktor.

Was dies für Unternehmen bedeutet

Für Unternehmen führt diese Reform zu einem deutlich veränderten Risikoprofil. Zum einen steigt der Druck, Prozesse nachweisbar strukturiert, durchdacht und dokumentiert auszugestalten. Behörden werden künftig nicht nur prüfen, ob ein Unternehmen theoretisch über interne Richtlinien verfügt, sondern ob diese in der täglichen Praxis funktionieren. Fehlende Schulungen, nicht gelebte Abläufe oder technische Lücken in Screening- oder Prüfprozessen können als leichtfertiges Handeln gewertet werden – und damit straf- oder bußgeldbewehrt sein.

Zum anderen rücken Führungskräfte stärker in den Mittelpunkt. Die entscheidende Frage, die Ermittlungsbehörden künftig stellen, lautet: War die Organisation geeignet, Verstöße zu verhindern? Wenn sich herausstellt, dass Strukturen unzureichend waren oder Verantwortlichkeiten unklar, kann dies persönliche Konsequenzen nach sich ziehen. Compliance wird damit endgültig zur Führungsaufgabe und nicht zu einer reinen Fachaufgabe einzelner Abteilungen. Die Erwartungshaltung ist klar: Die Geschäftsleitung muss organisatorische Vorkehrungen treffen, die funktional, nachvollziehbar und dauerhaft wirksam sind.

Gleichzeitig darf die Umsetzung der Richtlinie nicht als reiner Belastungsfaktor verstanden werden. Ein gut funktionierendes Compliance-System ist ein strategischer Vorteil. Unternehmen, die sauber dokumentieren, strukturiert prüfen und sicher mit Sanktionslisten, Exportprozessen und Finanztransaktionen umgehen, stärken nicht nur ihre Rechtssicherheit. Sie gewinnen Vertrauen bei Banken, Versicherern, Investoren und internationalen Geschäftspartnern. Gerade in globalen Handelsketten wird es zunehmend zum Qualitätskriterium werden, ob ein Unternehmen nachweisbar compliant arbeitet.

Warum jetzt ein integrierter, pragmatischer Ansatz nötig ist

Die größte Herausforderung besteht darin, die gesetzlichen Anforderungen effizient in die tägliche Arbeit zu integrieren. Viele Unternehmen verfügen zwar über Richtlinien oder Checklisten, doch diese sind häufig nicht in die tatsächlichen Abläufe eingebettet oder deren Ergebnisse überprüfbar. Behörden und Geschäftspartner erwarten jedoch funktionierende Prozesse: klare Verantwortlichkeiten, regelmäßige Prüfungen, schnelle Eskalationswege und eine lückenlose Dokumentation. Diese Anforderungen lassen sich selten allein mit juristischem Fachwissen lösen.

Wir beobachten in unserer Beratungspraxis bei zahlreichen Unternehmen, dass die Verbindung von juristischer Beratung und professioneller Prozessgestaltung entscheidend ist. Ein rein juristisch formuliertes Compliance-Handbuch bietet keine operative Sicherheit. Erst wenn Organisation, IT, Verantwortlichkeiten und Workflows stimmig zusammenwirken, entsteht ein System, das rechtlich belastbar und gleichzeitig wirtschaftlich effizient ist. In diesem Spannungsfeld setzen unsere Beraterteams an, indem sie rechtliche Expertise mit prozessorientierter Gestaltung verbinden – mit dem Ziel, Compliance so zu implementieren, dass sie schützt, ohne zu belasten.

Dazu gehört ein schlanker und gleichzeitig wirksamer Aufbau von Prüf- und Freigabeprozessen, die Integration technischer Lösungen, die Rückführung komplexer Anforderungen in einfache, reproduzierbare Abläufe und eine Dokumentation, die im Prüfungsfall trägt. Unser Anspruch ist es nicht, zusätzliche Bürokratie aufzubauen. Unser Ziel ist vielmehr ein Compliance-System, das den Anforderungen gerecht wird und gleichzeitig Ihre operative Leistungsfähigkeit verbessert.

Schlussfolgerung für Führungskräfte

Die neue EU-Richtlinie und ihre strenge Umsetzung in Deutschland markieren eine klare Zäsur: Der Umgang mit Sanktionen wird zu einem zentralen Unternehmensrisiko. Für Führungskräfte bedeutet das, rechtzeitig zu handeln und interne Strukturen so auszurichten, dass sie den neuen Anforderungen standhalten. Reine Papier-Compliance genügt nicht mehr. Entscheidend ist die Wirksamkeit im Alltag – und diese entsteht nur durch pragmatische, gut integrierte und schlanke Prozesse.

Wer jetzt handelt, schützt sein Unternehmen vor erheblichen finanziellen und rechtlichen Risiken und stärkt zugleich seine Position in internationalen Lieferketten. Ein durchdachtes Compliance-System ist kein Selbstzweck, sondern ein sichtbarer und messbarer Vorteil in einem zunehmend regulierten Marktumfeld.

 

Autoren-Team: 
Thilo Märtin (Rechtsanwalt), Luise Klufmöller LL.M. (Rechtsanwältin | Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht | Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz) 

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